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Diskussion: Vorurteile gegen E-Biker in der Natur

Jeder gegen jeden?

Diskussion: Vorurteile gegen E-Biker in der Natur

Anfang des Jahres fragte die Süddeutsche Zeitung ihre Leser, ob „der Tourist zerstört, was er sucht, dadurch, dass er es findet“. Die Frage löste eine heftige Diskussion aus. Niemand lässt sich gern Zerstörer nennen, nur weil er Erholung in der Natur sucht. Der Finger zeigt instinktiv auf „die anderen“, die ja viel schlimmer sind als man selbst. Im Moment zeigt der Finger bevorzugt in Richtung E-Biker. Wieso eigentlich?
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Längst fragen sich Naturschützer, Alpenvereine und Bergretter, ob die gewaltigen Besucherströme in die Alpen noch zu verkraften sind. Den Touristikern geht es längst nicht mehr darum, Besucher anzulocken. „Besucherlenkung“ heißt das Wort der Stunde, das die Diskussion bestimmt. Ist das E-Bike dabei eher Fluch oder Chance? Sorgt es doch selbst für eine weitere Eskalationsstufe auf der Suche nach dem Zauber noch unentdeckter und unerschlossener Fleckchen Erde.

Dem Fahrrad gleichgestellt, darf prinzipiell jeder mit dem E-MTB auf allen Wanderwegen unterwegs sein, auch in Naturschutzgebieten. Einerseits entlastet das überlaufene Hotspots und sorgt langfristig für weniger Autos in den Bergen. Das ist eindeutig positiv. Gleichzeitig verteilt es Besucher bis in die letzten Winkel.

Ablehnung für das E-MTB

Ende 2019 veröffentlichte die Münchner Sektion des Alpenvereins einen Beschluss, in dem sie E-MTBs ablehnt und abwertet: „Wir sehen die aktuelle Entwicklung kritisch. Wir stehen für Bergsport aus eigener Kraft. Alles, was motorunterstützt ist, zerstört den Berg auf lange Sicht“, erklärte DAV-Sprecher Thomas Bucher.

Nicht nur bei anderen DAV-Sektionen löste das Statement Kopfschütteln aus, auch beim Österreichischen Alpenverein (ÖAV): „Wir sind bei diesem Thema auf einer anderen Linie und sehen das E-Mountainbike grundsätzlich positiv“, sagt Peter Kapelari, Leiter der Abteilung Hütten, Wege und Kartografie. Der ÖAV vertritt die Haltung, dass E-MTBs mehr Menschen dazu bringen, sich in der Natur zu bewegen. So fördere das E-Bike ein ganz neues Miteinander in den Bergen, das bislang aufgrund von Leistungsunterschieden nicht möglich gewesen sei.

Diskussion: Belasten Bikes Wege stärker als Wanderer?

Auf der Seite der Kritiker steht der Bund Naturschutz in Bayern: Er fordert gleich ein komplettes Verbot wegen der „explosionsartigen Zunahme“ von E-MTBs. Der Landesvorsitzende Richard Mergner forderte Ende 2019, E-MTBs in alpinem Gelände gesetzlich nicht länger unmotorisierten Fahrrädern gleichzustellen. E-MTBs hätten zu einer „Revolution der Mobilität“ am Berg geführt: Kleine und steile Wege, die bislang Wanderern vorbehalten gewesen seien, würden jetzt durch E-MTBs geradezu überrollt. „Die letzten Fenster des entspannten Draußenseins schließen sich“. Allerdings gehe es dem BUND ausschließlich um E-MTBs in alpinem Gelände, keineswegs ums E-Bike im Allgemeinen: Im Gegenteil, E-Bikes seien erwünscht, weil sie dazu beitrügen, die Pkw-Nutzung zu reduzieren.

Die Deutsche Initiative Mountainbike DIMB verweist auf eine Stellungnahme der „Bundesplattform Wald – Sport, Erholung, Gesundheit“, einer Arbeitsgemeinschaft der deutschen Spitzenverbände aus Forst, Waldbesitz, Jagd, Wandern und Sport: Die Argumentation des BUND sei nicht haltbar. Wildtiere würden durch E-MTBs nicht stärker aufgeschreckt als ohnehin bereits durch Wanderer und Radfahrer. Eine Studie der International Mountain Bike Association zeige, dass E-MTBs auch keine höhere Bodenerosion auslösten als klassische Fahrräder, die wiederum vergleichbar seien mit der von Wanderern. „Wer sensible Hochlagen beruhigen will, muss über die allgemeine Wegführung, Liftanlagen und das Hüttenwesen nachdenken“.

Ganz so einfach ist die Sache nicht

Ganz selbstverständlich halten sich Wanderer für umweltfreundlicher als E-Mountainbiker. Ganz so einfach ist die Sache aber nicht: Es kommt zum Beispiel darauf an, wie weit Wanderer vorher mit dem Auto angereist sind. Viele Wanderer stören Wildtiere genauso in ihrer Ruhe, sind im Schnitt ebenso laut, zerstören ebenso viel Vegetation durch unachtsames Abkürzen und werfen ebenso viel Müll in die Natur wie viele Radfahrer – eine schlichte statistische Wahrheit.

Und ja, auch unter E-MTB-Fahrern gibt es rücksichtslose Trottel, die sich cool finden, wenn sie mit getunten E-Bikes durch rücksichtsloses Shredden mühsam gepflegte Wege beschädigen. Genauso, wie es Rücksichtslose unter Wanderern gibt. Unter Autofahrern und ganz allgemein: unter Menschen.

Rücksichtnahme ist immer richtig

In anderen Regionen Europas ist man schon etwas weiter. Beispielsweise im schweizerischen Flims/Laax im Kanton Graubünden. Hier wird die friedliche Koexistenz von Wanderern und E-MTBs seit mehr als zehn Jahren gezielt gefördert. Zahlreiche Wegweiser fordern Radler und Wanderer zu gegenseitiger Rücksichtnahme auf. Radverleiher statten ihre Bikes mit kleinen „Glöckli“ aus, die dezent aber permanent beim Fahren bimmeln, und die E-Bikes bereits von weitem ankündigen.

Außerdem setzt Graubünden lieber auf Angebote statt Verbote: Besucherlenkung erfolgt sehr erfolgreich über kostenlose Ladestationen an Almhütten. Die Hüttenwirte freuen sich über den Umsatz mit ihren Gästen, die E-Biker über den kostenlosen Ladeservice.

Und wir? Wir haben zwei einfache Empfehlungen: Zurückhaltung und Rücksichtnahme sind immer richtig. Wer als E-Mountainbiker freundlich und respektvoll auftritt, wird in der Mehrzahl der Fälle auch selbst freundlich behandelt. Zweitens: Wo man sein E-MTB in alpinem Gelände ständig tragen muss, endet der Spaß – im doppelten Sinn. Dazu in Kürze mehr.

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