Antiplatt-Systeme, Reifen, Pannenschutzsysteme
Antiplatt-Systeme im Test: Pannenschutzsysteme für E-Bike-Reifen

Bock auf Rock!

Antiplatt-Systeme im Test: Pannenschutzsysteme für E-Bike-Reifen

Durch hohe Gewichte der E-Bikes und eine nicht ganz so aktive Fahrweise steigt trotz Tubeless-Systemen die Pannenhäufigkeit. Reifen und Felgen leiden besonders. Bringen Antiplatt-Systeme Besserung?
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Bratz – da ist es geschehen. Der massive Durchschlag führt unweigerlich zu starkem Luftverlust. Doch Johannes „Fischi“ Fischbach (Downhill Rennfahrer) fährt weiter, bis es ihm den Reifen von der Felge in den Rahmen zieht und der Rennlauf 2017 bei der WM in Cairns (Australien) nicht mehr zu finishen war. „Um die halbe Welt zu fliegen, um so auszuscheiden, ist bitter. Das sollte dank Inserts jetzt nicht mehr passieren!“

Auch Hobbyfahrer wissen: Mit die häufigste Pannenursache auf Tour sind von Durchschlägen und Snakebites verursachte Platten. Sind diese etwa wegen eines fehlenden Flickens oder Schlauchs nicht zu reparieren, tritt man den Heimweg unweigerlich zu Fuß an. Es heißt ja schließlich auch Plattfuß …

Für wen sind Inserts sinnvoll?

Fischi sagt: „Für jeden! Egal ob Racer, normaler Tourenfahrer oder E-Biker. Man ist mit kaum Mehrgewicht einfach deutlich sicherer unterwegs“. Die Erklärung dazu ist simpel: Alle Produkte setzen sich als zusätzliche Schicht zwischen beide Reifenwände und die Felge, bilden damit einen weiteren Sicherheitspuffer. Dadurch können sie im schlimmsten Fall auch vor einem Totalausfall schützen, was am Ende auch Geld und Standzeit im Shop spart.

Antiplatt-Systeme: Was muss ich beachten?

Vor dem Kauf steht die richtige Auswahl an. Doch die hat es in sich, wie Fischi bestätigt: „Es ist wirklich nicht einfach, die perfekte Balance aus Haltbarkeit, Durchschlagschutz, Gewicht und einfacher Montage zu finden.“ Auf dem Markt gibt es nämlich mittlerweile mehr als 17 uns bekannte Antiplatt-Systeme. Die gängigsten zehn haben wir zu einem Test geladen. Hat man sich für ein System entschieden, muss die richtige Breite zu Reifen und Felgenmaulweite gewählt werden, damit das System in der Praxis seine Vorteile voll ausspielen kann. Tipp: Im Zweifel immer zum breiteren System greifen.

Beim Durchmesser setzen Csixx, Huck Norris, MarshGuard und Vittoria auf flexible Lösungen, die im Prinzip von 16 bis 29 Zoll passen: Einfach abschneiden und die Enden mit Klett oder Kabelbindern zusammenfügen. Bei allen anderen passt das System nur auf eine Laufradgröße. Auch unterschiedliche Varianten für CC, Tour, AM oder die härteren Gangarten EN, FR, DH werden von Csixx, CushCore, FTD, Huck Norris, PTN und Tire Trooper angeboten. Unterschiede finden sich dann in der Dichte, Dicke und Schutzwirkung.

Bezüglich ProCore von Schwalbe gibt es vorab schon mehrere Ausschlusskriterien: Viele Laufrad- und Felgenhersteller geben ihre Produkte auf unsere Nachfrage für das System nicht frei, da der Systemdruck bis zu 6 bar erreichen kann und dadurch die Speichenspannung stark abnimmt. Zudem ist das System nur bei Felgenbreiten zwischen 23 und maximal 35 Millimeter Maulweite ideal nutzbar. Auf der anderen Seite ist ProCore das einzige System, welches durch Luftdruck auf Fahrergewicht, Einsatzbereich abstimmbar und über Jahre einsetzbar ist, da bei einem Ausfall maximal der (günstigere) Spezialschlauch gewechselt wird.

Preis der Pannenschutzsysteme

Zum Preis: Wir haben bei unseren Testkästen immer den Satzpreis angegeben, um die Preise vergleichbar zu machen. Zudem beinhalten die Sets von CushCore, FTD, PTN und Tire Trooper jeweils einen Satz Spezialventile, bei Schwalbe die benötigten Spezialschläuche, was den Preis teils relativiert. Und die Preise selbst lassen uns staunen! Während bei Schwalbe durch Innenreifen, Schläuche, Felgenband und Dichtmilch der Preis nachvollziehbar ist, fallen die Preise von CushCore und Vittoria absolut aus dem Rahmen. Umso erfreulicher, dass PTN zeigt, wie’s geht: Zwei Nudeln samt Spezialventilen für 50 Euro sind unserer Meinung nach sehr fair!

Diese Antiplatt-Systeme haben wir getestet

Marke Modell Preis Prädikat
Csixx Double Decker X-Wide ab 80 Euro Preis/Leistung
Cush Core Pro 174,95 Euro Testsieger
Flat Tire Defender Elite front/rear 82,99 Euro
Huck Norris Double Pack M ab 69 Euro
MarshGuard FCK Flats 63,80 Euro
Pepi’s Tire Noodle Raceline M 49,95 Euro Preis/Leistung
Schwalbe ProCore 179 Euro Empfehlung
Tannus Armour ab 59,80 Euro
Tire Trooper AllMountain 79,95 Euro
Vittoria Airliner M ab 138 Euro

Antiplatt-Systeme: Feldtest und Prüfstand

Für bestmögliche und nachvollziehbare Ergebnisse wurden alle Probanden auf dem Prüfstand und in einem Feldtest getestet. Ob E-MTBs oder „Bio“-Bikes, Touren im Donau- und Altmühltal oder BikePark-Einsätze in Bischofsmais und Spizak: Die Systeme wurden ordentlich rangenommen.

Antiplatt-Systeme, Mit Pannenschutz

Mit Pannenschutz

Antiplatt-Systeme, Ohne Pannenschutz

Ohne Pannenschutz

De- und Montage

Während geübte Mechaniker alle Systeme mehr oder weniger zügig ins Laufrad montierten, gibt es vor allem bei Hobbyschraubern große Unterschiede. Die Modelle von Huck Norris, MarshGuard und FTD lassen sich durch die Bank am einfachsten montieren. Bei Tannus ist die genaue Ausrichtung im Reifen zeitaufwendig. Zum Haare raufen gestaltet sich für manchen die Montage bei CushCore: Spülilauge und steife Reifenheber werden empfohlen.

Luftdruck

Da einige Systeme am Felgenboden aufliegen und die Seitenflanken des Reifens mit abdecken, ist die Kontrolle des Luftdrucks oder das Luftablassen nicht immer einfach. PTN und Tire Trooper lassen hier Federn, bei FTD ist das Ganze oft schlichtweg nicht möglich. Übrigens: Entgegen der weitläufigen Meinung sollte der Luftdruck mit den meisten Systemen nur um maximal 10 Prozent abgesenkt werden, da sie vorrangig als Durchschlagschutz agieren.

Refill Dichtmilch

Bei Tubeless-Systemen sollte je nach Nutzung und klimatischen Bedingungen nach zwei bis drei Monaten Dichtmilch nachgefüllt werden. Da, wie beim Luftdruck schon beschrieben, manche Systeme zum Reifen hin abdichten, ist es dann aufwendig, die Dichtmilch in den Reifen zu bekommen. Schlusslichter sind hier FTD und Schwalbe. Bei ProCore muss sogar der Reifen auf einer Seite demontiert werden.

Gewicht der Antiplatt-Systeme

Da die Systeme im Reifen sitzen, ist das weit außenliegende Gewicht durch das Trägheitsmoment gerade beim Beschleunigen und Bremsen von Bedeutung. Im Test finden sich große Unterschiede: Während Huck Norris, Marsh­Guard und PTN um die 82 Gramm sehr leicht ausfallen, schießt Csixx mit knapp vierfachem Gewicht den Vogel ab.

Dämpfung

Durch die Einlagen fahren sich manche Laufräder in der Praxis etwas anders. Eher unsensible Fahrer konnten den Effekt nicht zuordnen, feinfühlige Tester sprachen das Thema genau an: Eng am Reifen und der Felge anliegende Systeme wie Csixx, CushCore, FTD, Tire Trooper, Vittoria und vor allem Tannus dämpfen und schlucken feine Vibrationen, was sogar zu einer geringeren Armermüdung führen kann. Und auch Fahrgeräusche werden verringert.

Burping

Werden Tubelessreifen mit wenig Luftdruck hart in Kurven gefahren oder nach einem Sprung schräg belastet, kommt es vor, dass die Reifenwulst kurz aus dem Felgenhorn springt und schlagartig Luft entweicht. Sicherheitstechnisch ist das bedenklich! CushCore unterbindet Burping so gut wie vollständig. Perfekten Schutz bieten Tannus und Schwalbe.

Rollwiderstand

Im direkten Vergleich aller Probanden zeigt sich: Bis auf Tannus (plus 60 Prozent) bleibt der Rollwiderstand auf dem gleichen Niveau wie ohne System. Im Vergleich dazu liegt eine deutlich stabilere Endurokarkasse 30 Prozent darüber. Das heißt, dass der Pannenschutz ohne Einbußen beim Rollwiderstand teils deutlich erhöht wird, was auf Touren Kraft und Akku schont.

Notlaufeigenschaften

Im besten Fall sichert die Einlage den Reifen vor Burping und Abspringen von der Felge, bietet eine eher harte Konsistenz, um die Felge bei der Weiterfahrt vor Schäden zu bewahren. Am besten gelingt das CushCore, knapp vor Schwalbe. Zudem sehen beide Systeme auch nach einigen Kilometern noch gut aus. Von der Konkurrenz kann man dies nicht immer behaupten.

Schutzwirkung

Bezogen auf den Prüfstandtest kann man die Probanden in vier Klassen einteilen: Sieger ist mit Abstand Csixx vor CushCore. Dann folgen Schwalbe, Tannus und Vittoria vor der Gruppe aus MarshGuard, Huck Norris, PTN und Tire Trooper. Schlusslicht ist FTD. Doch wir haben auch getestet, inwiefern die Reifenbreite, die Karkasse, Profile und Gummimischungen mitwirken. Das Ergebnis überrascht nicht: Während Profil und Gummimischung vor allem beim Rollwiderstand ihren Einfluss haben, ist der Einfluss auf die Durchschlagswerte vernachlässigbar. Werden bei der Breite Felge und Luftdruck angepasst, sind auch hier die Unterschiede überraschend gering. Anders die Karkasse: Umso massiver die Karkasse, desto höher der Pannenschutz (und Rollwiderstand). Vergleicht man eine leichte SnakeSkin Touren- mit einer SuperGravity Endurokarkasse, steigt das Gewicht um 35 Prozent, die Pannensicherheit aber um ganze 80 Prozent. Die Endurokarkasse ist daher mit einem Mix aus leichtem Reifen und bester Pannenschutzeinlage vergleichbar.

Haltbarkeit der Antiplatt-Systeme

Die Hersteller sprechen im Schnitt von etwa einem Jahr bei regelmäßigem Einsatz, was natürlich auch vom Fahrstil, der Geländeform, der Reifenkarkasse und dem Luftdruck abhängt. Bei hartem Einsatz verkürzt sich das Leben enorm. Ausnahme ist Schwalbe: Durch den Verzicht von Schaum ist das System quasi unbegrenzt nutzbar. Bei einem Defekt wird dann nur der Schlauch gewechselt.

Antiplatt-Systeme: Interessante Details im Überblick

Variabel: Ein Endlosstreifen kann im Prinzip von 16 bis 29“ alle Radgrößen abdecken.

Antiplatt-Systeme, Bindeglied

Bindeglied: Die Schnittkanten werden am Stoß einfach per Klett oder Kabelbinder fixiert.

Pannenschutzsysteme, Schlauch

Schlauch 1: Tannus setzt nach wie vor auf den Schlauch, schützt diesen aber umfassend.

Antiplatt-Systeme, Schlauch

Schlauch 2: Schwalbe setzt den Schlauch gezielt für speziellen Mehrwert in TLR-Systemen ein.

Profil. Schlauch, Pannenschutzsysteme

Ausgefuchst: Das Profil von Csixx ist aufwendig und durchdacht umgesetzt.

Abflussrille, Antiplatt-Systeme

Abflussrille: Hier kann die Dichtmilch beim Nachfüllen in den Reifen gelangen (Bild: CushCore).

Mantel, Ummantelung, Antiplatt-Systeme

Ummantelung: Die rote Haut des Pepi's nimmt keine Dichtmilch auf. Gut für die Serviceintervalle.

Antiplatt-Systeme, Pannenschutzsysteme

Nut: Aussparungen bei Vittoria senken das Gewicht und bieten Vorteile beim Dichtmilchservice.

Flat Tire Defender, Pannenschutz

Unterschied: Flat Tire Defender setzt vorne auf schmale, hinten auf breite Schaumeinlagen.

Antiplatt-Systeme im Test: Fazit

Die positiven Effekte von Pannenschutzsystemen sind in der Praxis klar nachvollziehbar. Sie schonen Material und reduzieren die Zahl der Platten. Das Mehrgewicht und selbst ein höherer Rollwiderstand sind zudem durch die Motorunterstützung bei weitem nicht so relevant wie beim klassischen Bike. Alltags- und Tourenfahrer nutzen ein solches System in Verbindung mit Tourenkarkassen, erhöhen so den Pannenschutz bei weiterhin geringem Rollwiderstand und damit auch gesteigerter Akkureichweite. Wer allerdings schwerer ist, gerne niedrigen Reifendruck fährt und das Gas bergab ordentlich stehen lässt, kommt um eine stabile Reifenkarkasse – am besten mit zusätzlichem Schutz – nicht herum.

Unsere Gewinner im Test: Schwalbe sichert sich mit gutem Pannenschutz, Vorteilen bei Notlaufeigenschaften und Burping eine Empfehlung. Allerdings mit eingeschränkter Nutzbarkeit bezüglich Felgenfreigaben. Wer nur etwas mehr Pannenschutz will und aufs Gewicht achtet, ist mit der günstigen Nudel von PTN gut bedient. Rein auf die Schutzwirkung bezogen, führt aber am Ende kein Weg an Csixx und vor allem CushCore vorbei.

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