Westweg, Reise
Im Zeichen der roten Raute: Unterwegs auf dem Westweg

Unterwegs auf dem Westweg

Im Zeichen der roten Raute: Unterwegs auf dem Westweg

Stille. Der Wind streichelt sanft über das halbhohe Sommergras. Schäfchenwolken tauchen mich ab und an in kühlenden Schatten. Ich spüre wie ich eins werde mit der Natur, spüre wie mein Körper lebt. Ich trinke ein Schluck klares Wasser. Schweiß läuft mir über den Nasenrücken. Bisher dachte ich, nur ein Alpencross bringt einen ans Limit. Von wegen. Vier Tage bin ich mit meinem Kumpel Florian nun auf dem Westweg unterwegs.
TEILE DIESEN ARTIKEL

Durch Wälder, über wellige Rücken, knackige Anstiege und teils über anspruchsvolle Trails. Jetzt, vomFeldberg, dem höchsten Schwarzwaldgipfel, ist die Aussicht grandios. Die größten Strapazen liegen hinter uns. Gut, es fehlen noch Belchen und Blauen – aber dann geht‘s nur noch bergab.

1. Etappe: Pforzheim – Forbach – Baden-Baden

In meiner Heimatstadt Pforzheim, der „Pforte zum Schwarzwald“, beginnt einer der schönstendeutschenFernwanderwege. Der Westweg. Auf rund 280 Kilometern verbindet er die Goldstadt mit Basel und schlängeltsich dabei mitten durch den Schwarzwald. Ständiges Kennzeichen: die rote Raute. zwar kenne ich den Wegseit vielen Jahren, aber nie war ich länger als eine Tagesetappe unterwegs. Warum eigentlich? Denn je nachRoutenwahl kann man bis zum Oberrhein knapp 8000 Höhenmeter machen. Und wer der roten Raute folgt, befährt größtenteils einfache bis mittelschwere Trails – auf denen aber auch erfahrene Biker Spaß habenkönnen. Der Entschluss war gefasst, Kumpel Florian musste mit.

Der Nebel hängt noch tief über Enz und Nagold, als Florian und ich am frühen Morgen starten. Es versprichtein traumhafter Tag zu werden. Ein kurzes Foto zum Start, und schon steigt der Weg nach Süden durch die Vororte der Goldstadt an. Die Schlossruine Neuenbürg entpuppt sich als das morgendliches, aber hart verdientes Highlight der ersten Etappe. Das Terrain nimmt die Formen an, die man sich vom Schwarzwald erwartet: wellig und unbarmherzig. Trails und Schotterpisten wechseln sich ab. Durch grüne Wälder geht esstetig auf und ab bis zum Luftkurort Dobel. Zeit für eine kurze Pause bei strahlendem Sonnenschein. Wieherrlich die Heimat sein kann.

Der Weg zieht auf einer Höhe an, immer entlang der Berghalden von Stierkopf, Lerchenkopf, Rosskopf und Lerchenstein, weiter in Richtung Südwest bis zum Hohlohturm, von dem man eine überragende Aussichtgenießen kann. Für uns ist es ab hier allerdings vorbei mit dem Bike-Genuss. Frust kommt auf, denn FloriansFedergabel sackt bereits auf der ersten Etappe komplett in sich zusammen. Auf die Schnelle ist da keine Abhilfe zu schaffen. In den Alpen hätten wir jetzt ein mittelschweres Problem. Hier, imMittelgebirge werden wir im Tal schon jemanden finden, der Florians Gabel wieder auf Vordermann bringt. Florian pumpt die Gabel noch einmal voll und dann geht’s auf einem anspruchsvollen Trail ab ins Tal in Richtung erstes geplantes Etappenziel. In Forbach, so hoffen wir zumindest, werden wir schon einen Bikeshop finden.

Leider ist es schon relativ spät, und somit bleibt die Hoffnung auf eine offene Werkstatt unerfüllt. Uns bleibtnur die Bahn nach Baden-Baden. Statt ins Casino geht es für uns auf Werkstattsuche. Und statt der noblenKurhotels bleibt uns nur ein Bett in der Jugendherberge der badischen Bäderstadt. Wenigstens ist FloriansGabel wieder einsatzfähig – und uns entlohnt ein kühles Pils bei schönem Sonnenuntergang für die ungeplanten Strapazen am ersten Tag.

2. Etappe: Baden-Baden – Hausach

Am nächsten Morgen kämpfen wir uns bei strahlendem Sonnenschein den langen Anstieg zum Mehliskopfhinauf, wo wir wieder auf den Westweg treffen. Dank des Gabeldefekts müssen wir die schöne Passage zwischen Forbach und Mehliskopf, die diese Etappe gekrönt hätte, leider links liegen lassen. Von Mehliskopfführt der Weg an der Skisprungschanze Hundseck vorbei, über Hochkopf und Muhrkopf zum Fuße der Hornisgrinde. Unterhalb liegt der sehr idyllische, leider von Bustouristen völlig überlaufene Mummelsee. Wir gönnen uns dennoch eine kurze erfrischende Pause und rollen am Hang entlang weiter.

Kurz vor dem eindrucksvollen Wildseeblick am Eutinggrab lockt die Darmstädter Hütte zu einer ausgiebigen Rast. Hier finden hungrige Biker inmitten des Hochmoors eine gemütliche Einkehr. Leider lassen wir diese Gelegenheit zur Stärkung ungenutzt. Ein grober Fehler. Denn statt einer leckeren Schwarzwälder Kirschtorte auf der Terrasse bleiben uns bis zum Abend nur die Energieriegel.

Auf sehr unterschiedlichem Untergrund zieht sich der Trail durch die von Orkan Lothar 1999 verwüsteten Wälder, oder das, was er davon übrig gelassen hat – wirklich eine eindrucksvolle Kulisse. Das Terrain wird auf der Originalroute bis zum Kinzigtaltor in Hausach nun teilweise ausgesetzter, sodass hier technisch weniger Versierte dem offiziellen Bikeweg folgen sollten. Auf diesem umfährt man die schwierigen Passagen, verpasst dafür aber den einen oder anderen schönen Schlenker. Als wir in Hausach ankommen, sind wir völlig ausgepumpt, der Tacho zeigt brutale 105 Kilometer an. Wir sind am Ende und wollen nichts mehr außer ein warmes Essen, ein kühles Bier und ein weiches Bett.

3. Etappe: Hausach – Titisee

Am nächsten Morgen lockt der Westweg mit einem der Highlights der Tour: ein stetes Auf und Ab auf dem schmalen Bergrücken in Höhenlagen um die 700 Meter bis hin zur Wilhelmshöhe hoch über dem traditionsreichen Wintersportort Schonach. Das schlechte Wetter zwingt uns auf die mildere, offizielle MTB-Variante. Das gut ausgebaute Wegenetz erlaubt es, die Tour flexibel zu gestalten. Wir machen einen Abstecher nach Schonach und Triberg, wo wir die Kuckucksuhrenhäuser bestaunen und unsere durchnässten Kleider trocknen. Der strömende Regen sorgt zwar nicht für die beste Stimmung, zumindest die Strecke hebt die Laune. Auf Trails und gemütlichen Panoramawegen treten wir in Richtung Titisee.

Zwischen Schonach und Furtwangen zeigt sich der Schwarzwald von einer ganz neuen Seite. Die Berge gleichen baumbestandenen Wellen, die kaum nennenswerte Höhenunterschiede aufweisen. Wenigstens klart es auf. Der Blick in Richtung Süden auf das breit gelagerte Feldberg massiv sorgt bei uns beiden für Vorfreude auf die letzte Etappe.

4. Etappe: Die Westroute: Feldberg – Wiederner Eck – Belchen – Basel

Vom Titisee aus gelangt man über zwei verschiedene Routen nach Basel. Die Ostroute, die deutlich weniger frequentiert ist, führt über Feldberg, Hohe Zinken, Hochkopf, Hohe Möhr und Hohe Flum nach Basel. Die Westroute hingegen kann durch ihr abwechslungsreiches Terrain punkten, verlangt dem Fahrer aber auch mehr technische Fertigkeiten ab. Wir folgen der West-Variante, da im Frühling und wochentags mit wenig Wanderern zu rechnen ist.

Die Königsetappe unserer Tour beginnt morgens mit dem happigen Anstieg zum Haupt des Schwarzwaldes. Der Anstieg zum Feldberg bringt uns ans Limit – allerdings belohnt uns der 1493 Meter hohen Gipfel mit einem Wahnsinnspanorama. Kaputt und begeistert genießen wir den Ausblick. Im Westen reicht der Blick über den Oberrheingraben hinweg bis zu den Vogesen. Die Hornisgrinde im Norden zeigt den bereits zurückgelegten Weg. Von Ost nach Südwest überblicken wir die Allgäuer Alpen, das Lechquellengebirge, Verwall-, Silvrettagruppe sowie die Westalpen mit Grand Combin und Mont Blanc. Auch kleinere Berge gewähren einen fantastischen Blick. Hilft nichts, wir müssen weiter.

Der letze Abschnitt führt über freie Wiesenhängen hin zum Wiedener-Eck. Von dort geht es über Trails und immer wieder Forststraßen durch den Nordhang des Dietschel. Einen der schönsten Trails der gesamten Tour fahren wir auf dem Weg zum Belchen. Es folgt ein steiler und steiniger Steig hinauf zum Belchenhaus, dem höchstgelegenen Gasthaus Baden-Württembergs. Zum ersten und einzigen Mal auf der gesamten Tour müssen wir unsere Bikes schieben. Die Mittagspause haben wir uns damit aber wahrlich verdient.

7000 Höhenmeter: Wir sind glücklich

Anschließend führt der Weg durch traumhaftes, subalpines Gelände, das immer wieder einen knackigen Anstieg bereithält. Zum Abschluss verlangt uns der Schwarzwald doch noch einiges ab. Hoch vom Blauen fahren wir in gemäßigtem Terrain über Kandern und durch die letzten Ausläufer des dunklen Waldes, durch hellgrüne Buchenwälder, über saftige Wiesen und durch Weinberge hinab nach Lörrach. Eine beeindruckende Burgruine ist das letzte Highlight, bevor wir auf den Rhein treffen und dem Fluss bis zum Ziel der Reise folgen: der Badischen Bahnhof in Basel.

Wir sind fertig, aber glücklich. Vier Tage, 280 Kilometer und weit mehr als 7000 Höhenmeter entlang der roten Raute stecken uns in den Beinen. Besonders schön: So gut wie alles war fahrbar. Der Westweg hat uns in den vier Tagen leiden lassen – aber auch wahre Glücksmomente beschert. Und die Alpen? Die hatten wir vom Feldberg aus zwar fest im Blick. Aber vermisst haben wir sie nicht.

Schwarzwald: Westweg kompakt

Der Weg

Eigentlich ist der Westweg (rote Strecke) ein klassischer Fernwanderweg, der vom Schwarzwaldverein bereits im Jahr 1900 angelegt wurde. Auf den eigentlich zwölf Etappen folgt man zu Fuß der roten Raute von Pforzheim bis ins Dreiländereck nach Basel. In Titisee gabelt sich der Weg in eine westliche und eine östliche Route. Auf den 285 km hat man, je nach Strecke, mehr als 8800 Hm zu bewältigen. Als Alternative bietet Schwarzwald Tourismus eine offizielle MTB-Route Bike Crossing Schwarzwald (lila Strecke) an. Die „Heavy-Tour“ führt in sieben Etappen ebenfalls von Pforzheim nach Bad Säckingen (435 km, rund 14.000 Hm). Die Strecke ist ausgeschildert und als Roadbook verfügbar. Buchbar ist der Schwarzwald-Cross auch organisiert mit Übernachtungen und Gepäcktransport.

Übernachten am Westweg

Forbach: Hotel-Pension am Mühlbachwww.pension-am-muehlbach.de
HausachGasthof Blumewww.hotelblume.de
TitiseeGasthaus Heiligenbrunnenwww.heiligenbrunnen.de

Infos zum Westweg

Schwarzwald Tourismus GmbH, www.bike-crossing-schwarzwald.info
Weitere Infos zum Westweg unter www.schwarzwaldverein.de

Schlagworte
envelope facebook social link instagram